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Die blauen Jungs vom THW

Einzigartig in Deutschland: Rentnerband hat Historische Sammlung des Technischen Hilfswerks aufgebaut

Von Jörn Dirk Zweibrock - 08.10.2016 - Verdener Nachrichten - Tageszeitung für Stadt und Kreis Verden

Dörverden-Barme. Was kaum jemand weiß – hinter den dunkelblau lackierten Toren am hinteren Ende des Barmer Wasserübungsplatzes befindet sich ein wahres Kleinod: die Historische Sammlung des Technischen Hilfswerks (THW), angeschlossen an die THW-Bundesschule Hoya. Während gegenüber die dicken Pötte auf der Weser in Richtung Dörverden oder Hoya unterwegs sind, sich die Herbstsonne im Barmer Hafenbecken spiegelt, wurschtelt Georg Mauroszat mit seiner Rentnerband in den ehemaligen Kfz-Hallen der Pioniere. Schlosser, Zimmermänner und Tischler im Ruhestand bringen dort heute die ausrangierten Wasserfahrzeuge des THW wieder in Schuss, machen betagte Pontons, Schlauchboote, Schaluppen, Schub- und Schleppboote wieder flott

Früher sind die Rettungswesten noch nicht ohnmachtsicher gewesen, heute blasen sie sich automatisch auf. Quelle: Björn Hake Die blauen Jungs vom THWFrüher sind die Rettungswesten noch nicht ohnmachtsicher gewesen, heute blasen sie sich automatisch auf.
Quelle: Björn Hake

Vor nunmehr drei Jahren wurde die Historische Lehrsammlung Wasserdienst in Barme feierlich eröffnet, zieht seitdem im Schnitt 1200 Besucher jährlich in den äußersten Südwesten der Gemeinde Dörverden. „Neben Kollegen vom THW schauen sich hier auch gerne Zivilisten um“, freut sich Mauroszat immer, wenn sich mal wieder ein Wassersportverein angesagt hat. Als der Präsident des Technischen Hilfswerks, Albrecht Broemme, vor einigen Jahren anregte, eine Historische Lehrsammlung ins Leben zu rufen, brauchte der 79-jährige Georg Mauroszat nicht lange zu überlegen. Fast vier Jahrzehnte lang war er Hoyaer Lehrkraft an der THW-Bundesschule Hoya. Vor 57 Jahren als Schwimmbrückenbau-Schule gegründet, hat sie sich im Laufe der Zeit zu einer reinen Lehranstalt mit Internatscharakter gewandelt. Neben der Weserstadt unterhält die THW-Bundesschule noch einen weiteren Standort – im baden-württembergischen Neuhausen. Nach dem Abzug der Streitkräfte aus Barme, die Niedersachsen-Kaserne wurde 2003 geschlossen, hat daraufhin das Technische Hilfswerk den früheren Wasserübungsplatz der Bundeswehr in Barme übernommen.

Nirgendwo gebe es nach Ansicht von Mauroszat so „optimale Bedingungen“ für eine Historische Lehrsammlung Wasserdienst wie am Barmer Weserufer – mit tollem Blick auf das Dörfchen Hingste auf der gegenüberliegenden Fluss-Seite. Insgesamt drei Jahre Vorlauf haben Mauroszat und seine Rentnerband, allesamt ehemalige THWler aus dem gesamten Bundesgebiet, benötigt, bis die Historische Sammlung auf dem Wasserübungsplatz Barme schließlich 2013 feierlich eröffnet wurde. Die Sammlung nostalgischer Wasserfahrzeuge ist einzigartig in Deutschland, denn die Historische Sammlung des Technischen Hilfswerks in München präsentiert ausschließlich Fahrzeuge. „Wir wollen hier in Barme junge Menschen an die Technik ihrer Eltern und Großeltern heranführen“, erklärt ihnen Mauroszat dann bei einer seiner Führungen beispielsweise wie ein richtiger Kreuzknoten oder der Seemannsknoten Palstek funktionieren.

In der Seilerei bringt er ihnen bei, wie früher Taue hergestellt wurden. Taue aus Sisal, Taue aus Hanf oder eben Taue aus Perlon. An der Jakobsleiter demonstriert der Hoyaer den Besuchern, wie einst vom Hochwasser eingeschlossene Menschen von den Helfern des THW aus ihren Häusern gerettet wurden. Wer jetzt die Bilder der Hamburger Sturmflut (1962) vor Augen hat, bekommt von Mauroszat gleich eine kleine Nachhilfestunde in Sachen TWH-Geschichte: „Der erste Einsatz des Technischen Hilfswerks war 1954 bei der Sturmflut in den Niederlanden.“

Binnen drei Jahren hat sich der technikaffine Rentner aus Hoya zu einem kundigen „Museumspädagogen“ entwickelt. „Wir wollen die Gäste hier in unserer Historischen Sammlung zum Mitmachen anregen“, erläutert er. Klar, dass dazu auch das Kalfatern, also das Abdichten von Decks- und Außenhäuten gehört. Natürlich können die Besucher im Barmer „THW-Museum“ auch historische, nicht ohnmachtsichere Rettungswesten anlegen oder doch lieber gleich auf die neuen Modelle ausweichen, die sich automatisch aufblasen. In der Schatzkammer der Historischen Sammlung erwartet die Gäste eine Wechselausstellung mit jeweils bis zu 16 Fahrzeugen und vielen Außenbord-Motoren. „1954 wurden dem Wasserdienst die ersten Fahrzeuge zur Verfügung gestellt“, lässt der ausgebildete Berufstaucher Georg Mauroszat die Geschichte des Zivil- und Katastrophenschutzes Revue passieren. Wurde die gute alte Petromaxlampe noch mit flüssigem Petroleum befeuert, brachte bei der Einheitslaterne aus dem Jahre 1955 hingegen Karbid Licht ins Dunkel.

Einige Tonnenstege in Miniaturgröße oder ein Modell, das erzählt, wie die Blauröcke damals das Schiff vom gestrandeten Binnenschiffer Wladi wieder flott gemacht haben, werden ebenso in Barme gezeigt. „8500 Stunden Eigenleistung stecken bislang schon in der Historischen Sammlung“, erzählt Georg Mauroszat mit stolz geschwellter Brust von ausrangierten Wasserfahrzeugen, die mit Sandstrahl oder der Schleifhexe entrostet und später wieder frisch lackiert wurden.

Wer jetzt Lust auf einen Ausflug nach Barme bekommen hat, kann bei der THW-Bundesschule Hoya (Telefon 0 42 51/ 82 90) einen Termin für eine Führung mit Georg Mauroszat vereinbaren. Symbolisieren die Schaumstoffpuppen in der Lehrsammlung von Wasserfahrzeugen lediglich den Einsatz auf dem Wasser, weiß der ehemalige Berufstaucher, wie er sich wirklich anfühlt: nämlich ziemlich nass.

„8500 Stunden Eigenleistung stecken in der Sammlung.“ Georg Mauroszat

Von Jörn Dirk Zweibrock - Verdener Nachrichten - Tageszeitung für Stadt und Kreis Verden

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